Jedes zweite Kind in Deutschland gilt inzwischen als armutsgefährdet. Wie können wir in der katholischen Jugendarbeit damit umgehen? Bei der Fachtagung Jugendpastoral geht es genau darum: Armutssensibles Handeln im Umgang mit Kindern und Jugendlichen.

Die Hauptreferentin der Tagung, Frau Dr. Irina Volf vom Institut ​für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. in Frankfurt, fasst im folgenden kurzen Interview die Hauptfaktoren für Kinderarmut in Deutschland zusammen, sagt, was dagegen getan werden kann, und gibt einen Ausblick auf ihren Vortrag bei der Fachtagung Jugendpastoral: 

Aus Ihrer Forschungsperspektive: Was sind die 3 Hauptfaktoren für Kinder- und Jugendarmut in Deutschland?

Volf: Armut in Deutschland ist ein strukturelles Problem, das infolge komplexer politischer Entscheidungen entsteht. Die Ursachen von Armut liegen vor allem in der Steuer-, Familien- und Arbeitsmarktpolitik.

Gibt es Vorurteile gegenüber Armut, mit denen wir brechen sollten?

Volf: Ja und zwar viele. Die Annahme, dass Armut ein Migrationsproblem ist, ist sachlich falsch. Von 14,1 Millionen von Menschen, die arm oder armutsgefährdet sind, haben rund 54% keinen Migrationshintergrund. Das sind Menschen, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind. Eine Hälfte von diesen 14,1 Millionen Menschen hat ein mittleres Qualifikationsniveau. Daher schützt mittlere Bildung auch nicht mehr vor Armut. Schließlich sind nur 5,5% von 14,1 Millionen Armutsbetroffenen erwerbslos. Die überwiegende Mehrheit sind nichterwerbstätige Personen (u. a. Unterachtzehnjährige, Rentnerinnen und Rentner) sowie Menschen, die trotz Erwerbstätigkeit arm sind.

Welchen Stellenwert hat das Thema in der Politik? Werden die richtigen Gegenmaßnahmen ergriffen?

Volf: Wenn Armut infolge politischer Entscheidungen entsteht, dann sollen die Armutsursachen auch mit politischen Instrumenten bekämpft werden. Die Einführung der Kindergrundsicherung ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Wir beobachten allerdings mit Besorgnis, dass die geplanten Reformen doch nicht mit ausreichenden finanziellen Ressourcen realisiert werden können. Für Kinder und Jugendliche, die in armen Familien aufwachsen, stellt Armut eine schwierige Lebensbedingen dar, die weitreichende Konsequenzen für ihren gesamten Lebensverlauf haben wird. Das darf in einer der reichsten Länder der Welt nicht passieren.

Was können die Kirche und jeder Einzelne gegen Jugendarmut tun?

Volf: Armutsbekämpfung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Da sind alle gefordert der Bund, die Länder, die Kommunen, die Träger, die Kirchen aber auch jede einzelne Person, die mit armutsbetroffenen Kindern, Jugendlichen und Familien arbeitet. Armutssensibilität als eine eigenständige Kompetenz (pädagogischer) Fachkräfte aber auch als Qualitätsmerkmal von Einrichtungen und Institutionen auf struktureller Ebene stellt eine Voraussetzung dar, um Aktivitäten und Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und zur Reduzierung von Armutsfolgen zu entwickeln. Die Kirchen können für ihre Mitarbeitenden Fortbildungen organisieren, um mehr Armutssensibilität bei ihren Fachkräften zu fördern und eine kritische Reflexion zum Umgang mit eigenen Strukturen anstoßen, um mögliche Barrieren abzubauen.

Was erwartet uns bei Ihren Vorträgen bei der Fachtagung Jugendpastoral?

Volf: In meinen Vorträgen gehe ich systematisch auf Ursachen, Folgen und Ausprägungen von Armut ein, thematisiere mögliche Lösungsansätze zur Armutsbekämpfung und gebe praktische Hinweise über die Förderung von Armutssensibilität in der praktischen Arbeit mit von Armut betroffenen Kindern, Jugendlichen und ihren Familien.

Vielen Dank für das Interview!

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